Aktuell

Baschi Dürr versteckt sich hinter Paragraphenreiterei

Nachdem im Juni rund 350 Personen einen offenen Brief an Regierungsrat Basch Dürr unterzeichnet und damit Ihre Solidarität mit den frisch legalisierten und angezeigten Sans-Papiers ausgedrückt haben, fasste Herr Dürr hat den Brief als Petition auf und wirbt in einem fast vierseitigen Antwortschreiben um Verständnis für seine Anzeigen. Wir möchten in Bezug auf dieses Schreiben auf folgende Anmerkungen dazu nicht verzichten:


In seinem Brief beruft sich Herr Dürr auf die «liberale Praxis», welche in Basel-Stadt in der Anerkennung mehrerer Härtefälle zur Anwendung komme. Verglichen mit dem Nachbarskanton beispielsweise zeigte sich die Stadt bisher hingegen äusserst restriktiv: 8 von 11 der Härtefallgesuche aus der Anlaufstelle für Sans-Papiers lehnte das Migrationsamt in einem ersten Bescheid ab und schickte sie erst dann weiter an das Staatssekretariat für Migration (SEM), als die Härtefallkommission sie neu und positiv bewertet hatte. Es ist erfreulich, dass das Basler Migrationsamt seine Praxis nach den Anerkennungen durch das SEM nun anpasst. Aber es ist eigentlich auch ein bisschen selbstverständlich: Warum soll die Praxis in Basel-Stadt restriktiver sein als jene des SEM? Zumal Kantone in der Westschweiz wesentlich höhere Anerkennungszahlen vorweisen können.

Den Widerspruch zwischen Mitwirkungspflicht im Härtefallverfahren und dem Recht, sich im Strafverfahren nicht selber belasten zu müssen, will Herr Dürr nun durch Ergänzung im Ausländergesetz (AuG) lösen. Der Vorschlag mag rechtlich angebracht sein, ist unter den gegebenen politischen Verhätlnisse im nationalen Parlament aber kaum durchzubringen. Tatsächlich hat dieser «Widerspruch», abgesehen von den aktuellen Fällen in Basel-Stadt, in der Vergangenheit kaum zu Problemen geführt. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, Angaben aus dem Härtefallverfahren als Beweise für ein Strafverfahren zu verwenden. «Ich erachte dies als treuwidrig», bemerkt der Anwalt Alain Joset in der bz Basel vom 22.8.2017. Eine Klärung bringt möglicherweise die Weiterführung der aktuellen Fälle vors Kantons- und Bundesgericht, wie dies die Anlaufstelle für Sans-Papiers ankündigt.

Es ist zu begrüssen, dass sich das Basler Migrationsamt nun, gemäss Parlamentsbeschluss, dem Genfer Legalisierungsmodell annähern will. Dabei muss es aber nicht nur seine Strafanzeigepraxis fallen lassen, sondern auch viele Kriterien vereinfachen und objektivieren. Auf das Kriterium der fehlenden Rückkehrmöglichkeiten, auf das Herr Dürr bis anhin grossen Wert legte (siehe auch S. 3, Ende des 2. Absatzes), sollte verzichtet werden. Die Überprüfung dieses Kriteriums ist Aufgabe der Asylbehörde, die bei Unzumutbarkeit der Rückkehr eine vorläufige Aufnahme erteilen kann.

Angesichts der rechtslosen Situation, in der sich Sans-Papiers befinden, ist es zynisch, von einer «privilegierten» Gruppe zu sprechen, wie es Herr Dürr mehrfach in seinem Antwortschreiben tut. Nach unseren Schätzungen beschäftigen rund 6‘000 von insgesamt 96‘000 Haushalten in Basel-Stadt eine Sans-Papiers-Hausangestellte. Wo liegt die kriminelle Energie der gegen das Ausländergesetz verstossenden Sans-Papiers, die unsere Betagten und Kinder betreuen und den Haushalt in Schuss halten? Die mit ihren Lohnüberweisungen die weitaus bedeutendste Entwicklungshilfe leisten und Knaben und Mädchen im Herkunftsland eine Ausbildung ermöglichen?

Anni Lanz und Guy Krneta
für das Solinetz Basel